Über 120 historische, davon rund 20 denkmalgeschützte Gebäude in den Vier- und Marschlanden werden in naher Zukunft dem Hochwasserschutz weichen müssen. Der Hauptdeich, der an der Elbe entlangläuft, muss erhöht und dafür deutlich verbreitert werden. Viele Bauwerke stehen zu nah an diesem Deich - und damit im Weg. (Die in der nachfolgenden Bildergalerie gezeigten Bauwerke stehen hier nur beispielhaft und zeigen nicht unbedingt gefährdete Objekte.)
Es geht um Klimaanpassung und Hochwasserschutz: aktuelle Themen, die nicht nur durch die Katastrophe im Ahrtal eine neue Dringlichkeit erhalten haben. In Hamburgs Osten, in den Vier- und Marschlanden, trennt der Hauptdeich Land und Fluss. Rund 30 Kilometer der Hamburger Hauptdeichlinie liegen in diesem Landstrich.
Die erste, zum Wasser liegende Deichlinie musste schon früher wegen des steigenden Meeresspiegels angepasst werden. Diese Prozedur wurde in den vergangenen Jahrzehnten bereits vorgenommen, etwa nach der verheerenden Flut 1962. Wann in den Vier- und Marschlanden die Bauarbeiten für die neue Anpassung beginnen, ist noch unklar, es wird allerdings ein neuer Orientierungspunkt gelten. Der Deicherhöhung liegt in Zukunft ein Bemessungswasserstand von 8,10 Metern Normalhöhennull zugrunde, und das bedeutet, dass der Deich in ganzer Länge um etwa einen Meter erhöht werden muss. Jeder neue Höhenmeter Deich erfordert insgesamt ca. sechs Meter Ergänzung in der Deichbreite.
Viele Häuser werden dann im Deichbereich stehen und müssen in der Folge abgerissen oder versetzt werden. Dabei ist bisher nicht klar, wie viele Denkmäler betroffen sein werden. Das Thema polarisiert schon jetzt: „Der Schutz von Leib und Leben hat schließlich eine höhere Bedeutung als der Erhalt der Kulturlandschaft“, sagte Bergedorfs Baudezernent Uwe Czaplenski.
Eine mögliche Lösung ist das Verfahren der Translozierung, bei der ein Gebäude abgebaut und anschließend an anderer Stelle wiederaufgebaut wird. Selbst wenn man das Bauwerk originalgetreu an anderer Stelle errichtet, geht dabei ein wichtiger Aspekt seiner historischen Aussage verloren, nämlich der räumliche Kontext. Das Versetzen bedeutet auch zugleich einen Verlust von Kulturlandschaft. Teilweise sind die Denkmäler als Ensembles geschützt, wenn zu den Hofanlagen z.B. auch die gepflasterte Wege und Eisenzäune gehören.
Es bleibt viele Fragen offen: Welche Gebäude sind so wertvoll, dass sie aufwändig an anderer Stelle wieder aufgebaut werden sollten? Wohin könnten die Gebäude überhaupt transloziert werden? Schlüssig wäre nur ein Wiederaufbau weit entfernt vom Deich, so dass die Bauten nicht bei der nächsten Deicherhöhung wieder versetzt werden müssen. Wer bezahlt das Verfahren – und wer führt es durch? Wichtig ist, dass den Bauherr:innen hierfür entsprechend ausgebildete Zimmerleute zur Verfügung gestellt werden, damit die Qualität der Umsetzung gewährleistet ist. Zudem sollte die Stadt die Translozierungen über das Deicherhöhungsprogramm finanzieren, damit keine Privateigentümer:innen belastet werden. Die Politik ist gefordert, zusammen mit der Wasserwirtschaft Konzepte über die neue Deichlandschaft und deren technisch-konstruktive Ausführungsmöglichkeiten zu untersuchen.
Fotos: Lea Mork