Stellungnahme des Denkmalvereins Hamburg e.V. vom 7. September 2022
Der Neubau einer Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz ist ein zweifellos ein Projekt mit großer Bedeutung für die jüdische Einheitsgemeinde und von großer gesellschaftlicher Strahlkraft. Die am 6. September 2022 in einer Landespressekonferenz vorgestellte Machbarkeitsstudie erweckt allerdings den Anschein, dass mit erstaunlicher Leichtigkeit wichtige historische Zeugnisse aufgegeben werden sollen.
So ist davon auszugehen, dass die Grundmauern der historischen Bornplatz-Synagoge noch erhalten sind, nähere Erkenntnisse zu Zustand und Umfang, die nur durch archäologische Grabungen und ingenieurtechnische Untersuchungen gewonnen werden könnten, liegen jedoch nicht vor. Es ist zu befürchten, dass der Synagogen-Neubau am ursprünglichen Standort und in der ursprünglichen Kubatur erhebliche Eingriffe in dieses Geschichtsdokument, wenn nicht gar seine vollständige Entfernung erforderlich machen wird. Wenn die Projektbeteiligten die Machbarkeit des Projektes verkündet haben, so scheint dieser Aspekt keine Bedenken ausgelöst zu haben. Gleiches gilt für den denkmalgeschützten Bunker, Zeuge von Nazidiktatur, Krieg und Zerstörung, dessen Abriss für alle Mitautoren einschließlich des Denkmalschutzamtes offensichtlich bereits beschlossene Sache ist. Das Bodenmosaik von Margit Kahl schließlich, es bildet den Grundriss der verlorenen Synagoge ab und lässt zusammen mit dem Bunker einen Erinnerungsort entstehen, soll in den Neubau integriert werden. Es wird allerdings zunächst vollständig entfernt werden müssen und allenfalls in Fragmenten zurückkehren können.
Die Erhaltung, Veränderung oder Aufgabe von Geschichtszeugnissen muss stets Gegenstand intensiver Abwägungsprozesse unterschiedlicher, ggfs. widerstreitender öffentlicher Interessen sein. Es wäre wünschenswert, diesen Prozess nicht als abgeschlossen zu betrachten, die Diskussion weiterzuführen und im nachfolgenden Architektenwettbewerb auch Varianten zuzulassen, die einen Erhalt wenigstens eines Teils der Geschichtszeugnisse ermöglichen.
Fotos: Kristina Sassenscheidt